Was passt zu mir und meiner Erfindung?
Immer wieder stehen Erfinder vor der gleichen Frage „Soll ich meine Erfindung als Patent oder als Gebrauchsmuster schützen? Was spricht für das eine und was spricht für das andere?“
Zugegeben, diese Frage lässt sich wohl nicht allgemeingültig beantworten und hängt im Einzelfall oft von weiteren Details ab. Für eine erste eigene Einschätzung, können die folgenden wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten aber weiterhelfen. Eine tabellarische Kurzzusammenfassung und einige Praxistipps finden Sie unten. Sollten Sie weiterführende Fragen haben oder konkrete Hilfestellung benötigen, kontaktieren Sie mich einfach, ich freue mich über Ihre Nachricht.
Gemeinsamkeiten
Sowohl das Patent als auch das Gebrauchsmuster bieten Schutz für eine technische Erfindung. Die Erfindung muss in beiden Fällen neu und gewerblich anwendbar sein. Während das Patent auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen muss, ist für das Gebrauchsmuster das Vorliegen eines erfinderischen Schritts ausreichend. Wer nun andere abfällig über Gebrauchsmuster als Erfindungen zweiter Klasse reden hört, kann diese eines Besseren belehren, denn de facto hat Bundesgerichtshof mit der Entscheidung „Demonstrationsschrank“ erfinderische Tätigkeit und erfinderischer Schritt als gleichartig angesehen. Somit ist die Erfindung für Gebrauchsmuster und Patent im Wesentlichen gleich.
In beiden Fällen ist der Schutzbereich durch die Ansprüche definiert. Ferner sind beide Schutzrechte territorial begrenzt, was für ein deutsches Patent und Gebrauchsmuster identisch wäre. Sie können somit sowohl das Patent als auch das Gebrauchsmuster in Deutschland gerichtlich und außergerichtlich durchsetzen.
„Mit der Eintragung in das Register tritt das Schutzrecht für den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Kraft und Sie haben die gleichen Rechte wie mit einem Patent: Nur Sie sind befugt, Ihre Erfindung zu benutzen, diese herzustellen und in Verkehr zu bringen. Jedem anderen können Sie dies verbieten“ (Zitat der Webseite des DPMA zum Gebrauchsmuster).
Unterschiede
Ein Unterschied, der dem Gebrauchsmuster auch den Namen „das schnelle Schutzrecht“ verleiht, ist, dass das Gebrauchsmuster bei Einhaltung der Formalien direkt eingetragen wird, während das Patent im Prüfungsverfahren auf die Erteilungsvoraussetzungen geprüft wird. So wird ein Gebrauchsmuster meist in 1–3 Monaten eingetragen, wohingegen sich die Erteilung eines Patents mehrere Jahre hinziehen kann.
Das führt direkt zu einem weiteren Unterschied. Bei dem Gebrauchsmuster handelt es sich um ein ungeprüftes Schutzrecht. Es ist also nicht wie das Patent auf Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit geprüft. Das hat Vorteile und Nachteile, denn Sie erhalten einfach und schnell ein eingetragenes Schutzrecht, sind jedoch der Gefahr ausgesetzt, dass jemand Ihr Gebrauchsmuster angreift und/oder in einem Löschungsverfahren löschen lässt. Auch ist bei der Durchsetzung des Schutzrechts, zum Beispiel einer möglichen Verletzungsklage, immer zu Bedenken, dass mangels Prüfung nicht sicher ist, ob Ihre Erfindung ein solcher Schutz zusteht. Bei einer Klage auf Patentverletzung/Gebrauchsmusterverletzung ist bei einem Gebrauchsmuster größte Vorsicht angebracht, wohingegen bei einem Patent von der Rechtssicherheit (Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit) ausgegangen werden kann. Insbesondere bei der schnellen und vorläufigen Rechtsdurchsetzung (einstweilige Verfügung) sind die Gerichte bei Gebrauchsmustern zurückhaltender als bei Patenten.
In Sachen relevanter Stand der Technik, also das was zur Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit genutzt werden kann, unterscheiden sie sich. So ist für das Patent im Wesentlichen jegliche Offenbarung vor dem eigenen Anmeldetag neuheitsschädlich, wie beispielsweise Bücher, Patentanmeldungen, Ausstellungen, Werbung, Videos, Flyer oder Anbieten. Bei einem Gebrauchsmuster ist der neuheitsschädliche Stand der Technik dagegen viel eingeschränkter, so dass zwar auch jegliche schriftliche Veröffentlichung weltweit relevant ist, aber die Offenbarung durch Benutzung der Erfindung nur dann schädlich ist, wenn diese im Inland stattfand.
Hierdurch ergibt sich ein weiterer Vorteil des Gebrauchsmusters, nämlich die Neuheitsschonfrist von 6 Monaten. Das hat nicht selten schon dem einen oder anderem Mandanten den Kopf („Erfindung“) gerettet. Durch die Neuheitsschonfrist können sie innerhalb von 6 Monaten nach einer ersten eigenen Offenbarung (z. B. Ausstellung) noch ein Gebrauchsmuster erhalten, da diese eigene Offenbarung ihnen dann nicht entgegengehalten werden kann. Haben Sie also aus Versehen ihre Erfindung schon ausgestellt bzw. der Öffentlichkeit offenbart, können Sie für diese Erfindung zwar kein deutsches Patent mehr erhalten, aber innerhalb der 6 Monate noch ein Gebrauchsmuster beantragen und so zumindest Schutz für 10 Jahre erhalten.
Damit wären wir bei einem weiteren, vielleicht dem größten, Unterschied, der Schutzdauer. Die Schutzdauer, oft auch Lebensdauer genannt, beträgt für ein Patent maximal 20 Jahre. Für ein Gebrauchsmuster ist die maximale Schutzdauer mit maximal 10 Jahren nur halb so lange. Für kurzlebige Produkte bzw. Innovationen kann ein Schutzbereich von 10 Jahren mehr als genug sein, für eine grundlegende Erfindung oder neuen Standard ist dagegen eine längere Schutzdauer sinnvoll.
Ein oft übersehener Unterschied ist, was überhaupt geschützt werden kann. Denn für Gebrauchsmuster sind, im Unterschied zum Patent, Verfahren ausdrücklich vom Schutz ausgenommen. Dies mag einem erstmal spanisch vorkommen, möglicherweise auch ungerecht. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Feldmausbekämpfung“ (BGH Az.: X ZB 18/16) hierzu Stellung genommen und schreibt im Leitsatz
„Der Ausschluss von Gebrauchsmusterschutz für Verfahren steht im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz“.
Somit bleibt es dabei, dass Verfahren dem Gebrauchsmusterschutz nicht zugänglich sind. In der Praxis kann man durch geschickte Formulierung der Ansprüche (Rechtstipp: Ansprüche) diese Einschränkung durch Umformulierung zu einem Vorrichtungsanspruch umgehen. Ansonsten sind sowohl durch das Patent als auch durch das Gebrauchsmuster Vorrichtungen, Anlagen, chemische Stoffe, Nahrungs- und Arzneimittel schützbar.
Wesentlich für die Entscheidungsfindung könnten auch die unterschiedlichen Kosten sein. So liegen die reinen Amtskosten für ein Gebrauchsmuster für die gesamte maximale Schutzdauer (10 Jahre) bei weniger als 1.500 Euro und für ein Patent mit maximaler Laufzeit (20 Jahre) bei >10.000 Euro. Natürlich kann ein Patent oder Gebrauchsmuster auch vorher aufgegeben werden, sodass hier nicht zwangsläufig alle Amtsgebühren anfallen.
Kurzzusammenfassung
Themengebiet | Patent | Gebrauchsmuster |
maximale Schutzdauer | 20 Jahre | 10 Jahre |
Eintragungs-/Erteilungsdauer | 2–3 Jahre (Erteilung) | 1–3 Monate (Eintragung) |
schützbare Erfindung | Vorrichtungen und Verfahren | Vorrichtungen, keine Verfahren |
Prüfung der Erfindung | formal und technisch | formal |
neuheitsschädlicher Stand der Technik | schriftlich Offenbarung und Benutzung weltweit | schriftliche Veröffentlichungen weltweit, Benutzung nur national |
Neuheitsschonfrist gegenüber eigener Offenbarung | nein | 6 Monate ab erstmaliger Offenbarung |
Praxistipp
- Sie wollen ein Patent, scheuen aber erstmal die Kosten des Prüfungsverfahrens? Sie können das Prüfungsverfahren zur Erteilung eines Patents mehrere Jahre aufschieben, beispielsweise indem Sie den Prüfungsantrag spätestens nach sieben Jahren ab Anmeldetag stellen.
- Sie haben sich für ein Patent entschieden und stellen fest, dass Ihre eigene Offenbarung als Stand der Technik entgegensteht? Möglicherweise kann die Abzweigung eines Gebrauchsmusters aus dem Patent Ihnen helfen, sodass Sie möglicherweise noch ein beständiges Gebrauchsmuster erhalten.
Haben Sie weitere Fragen zu möglichen Schutzrechten für Ihre Erfindung und möchten den für Sie optimalen Schutz erreichen, dann kontaktieren Sie uns noch heute.
Verfasser: Dr. Matthias Schindler (30.04.2020)