Das Design bietet normalerweise einen schnellen und einfach zugänglichen Produktschutz. Dabei soll das Design die optische Erscheinung bzw. Gestaltung des Produkts schützen. Immer wieder stellt sich dann die Frage, wie es sich bei komplexen Erzeugnissen aus mehreren Teilen verhält. Im Speziellen, ob das Design „immer“ sichtbar sein muss.
Das Bundespatentgericht hat sich mit dem Beschluss 30 W (pat) 809/18 der Sache ausführlich angenommen.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall ging es um einen Fahrradsattel bzw. Motorradsattel, der zum Design angemeldet und eingetragen war. Damit ein Design eingetragen wird, muss eine Ansicht (Bild) des Designs hinterlegt werden. Beim strittigen Design wurde eine Fotografie der Unterseite des Sattels eingereicht. Damit sollte Designschutz für die konkrete Ausgestaltung der Unterseite beantragt und erhalten werden, völlig unabhängig wie die Oberseite bzw. Seiten ausgestaltet sind.
Gegen dieses Design gingen zwei Parteien vor und forderten die Nichtigkeit, also Löschung des Designs. Zum einen vertraten sie die Ansicht, dass die Gestaltung des Fahrradsattels nicht neu sei bzw. keine Eigenart („Kreativität“) besäße. Hierzu hat das Bundespatentgericht zwar Stellung genommen, jedoch ist das nicht der wirklich interessante Aspekt.
Viel interessanter war die Frage, ob die Unterseite eines Sattels durch ein Design überhaupt gestützt werden kann. Dies könnte ausgeschlossen sein gemäß § 4 Designgesetz:
„Ein Design, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, gilt nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in ein komplexes Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen.“
Komplexe Erzeugnisse und das Sichtbarsein
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich erst mal die Frage stellen, was überhaupt ein komplexes Erzeugnis ist. Dies ist in § 1 Abs. 1 Nr. 3 DesignG definiert, der etwas pauschaler gesagt ein komplexes Erzeugnis als etwas zum Zusammenbauen und Auseinanderbauen definiert.
Bei einem Sattel handelt es sich um ein Bauteil für ein Fahrrad oder ein Motorrad, sodass das komplexe Erzeugnis das Fahrrad oder das Motorrad ist.
Um nun zu entscheiden, ob ein Sattel gemäß § 4 DesignG vom Design ausgeschlossen ist, musste das Bundespatentgericht sich überlegen, ob der Sattel bzw. das konkrete Design in der bestimmungsgemäßen Verwendung überhaupt sichtbar ist und bleibt.
Das Bundespatentgericht stellt sich dieser Frage sehr ausführlich. Grob zusammengefasst ist die Antwort des BPatG darauf:
Ob das Design sichtbar ist entscheidet sich nach der Verwendung des komplexen Zeugnisses und nicht nach der Verwendung des Bauteils. Es ist also zu überlegen, ob die Unterseite des Sattels bei der konkreten Verwendung des Fahrrades sichtbar ist und nicht bei der konkreten Verwendung des Sattels (Kauf, Einbau, etc.). Zugegeben nach einiger Zeit wird die Begründung im Beschluss etwas kurios und lustig. Es wird darüber diskutiert, wie man denn ein Fahrrad nun wirklich bestimmungsgemäß verwendet. So ist gemäß dem BPatG die einzige bestimmungsgemäße Verwendung eines Fahrrads das Fahren, aber ein Tragen, Schieben oder Parken des Fahrrad nicht.
Gut nachvollziehbar ist, dass beim Fahren das Fahrrad die Unterseite des Saturns nicht sichtbar ist. Als jedoch die Frage aufgetan wird, ob beim Fahrradfahren die Oberseite des Handels überhaupt sichtbar ist, weil man ja beim Fahrradfahren auf dem Sattel sitzt, war es mir unmöglich nicht in schallendem Gelächter auszubrechen.
Letztlich hat das Bundespatentgericht das Design nur mit der Begründung für nichtig erklärt, dass die Unterseite des Saturns beim Fahrradfahren nicht sichtbar ist und daher durch den Paragrafen vier Designgesetz ausgeschlossen ist.
Dieses Ausschlusskriterium des Sichtbarseins hat schon die letzten Jahre immer wieder zu Verwirrung geführt. Auch kann ich persönlich diese Entscheidung nur teilweise nachvollziehen, da ich schon glaube, dass die Unterseite eines Sattels designt sein kann und daher schutzfähig sein sollte. Das Bundespatentgericht scheint hier selbst auch noch Klärungsbedarf zu haben, sodass dieser Beschluss zur Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zugelassen ist. Es bleibt damit zu hoffen, dass die Rechtsbeschwerde eingelegt wird und der Bundesgerichtshof sich dieser Frage auch noch annimmt.
In der Praxis
Was heißt das nun für den Einzelnen, der ganz konkret an Design anmelden möchte? Noch ist hier nicht das letzte Wort gesprochen. Man sollte sich dessen klar sein, dass ein Produkt, das in einem anderen Produkt (Erzeugnisses) vollkommen verbaut ist und bei der Verwendung des Erzeugnisses dem Verwender nicht sichtbar ist, nicht durch ein Design zu schützen ist. Für alle anderen Produkte, die entweder vollständig sichtbar sind, teilweise sichtbar sind oder wie beim Sattel diskutabel sind, kann weiterhin versucht werden, ein Design anzumelden, denn Designanmeldungen sind letztlich relativ günstig im Vergleich zu anderen Schutzrechten und deren Durchsetzung vor Gericht schnell gegeben.
Sollten Sie weitere Fragen zu Design und Produktschutz haben, stehen wir Ihnen gerne zur Seite. Nutzen Sie am besten direkt das Kontaktformular.
Verfasser: Dr. Matthias Schindler (14.05.2020)